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Birmehl aus Verdings

Braunes Gold

Süßlich duftend rieselt das Verdingser Birmehl durch meine Hände. Eigentlich sieht es aus wie brauner Rohrzucker. Und irgendwie ist es das ja auch – ein gold-brauner Süßstoff, der durch die Jahrhunderte als Zuckerersatz diente.

Die arme Dorfbevölkerung konnte sich den lange unglaublich teuren Zucker nicht leisten. Da war es ein Glück, dass die Dörrbirnen-Sorten in der Gegend um Verdings prächtig reiften und sich ihre Früchte zwar mit etwas Aufwand aber doch zu eben diesem Birmehl verarbeiten ließen. Trotzdem wurde das Dorf früher spöttisch und etwas abschätzig das „Birmehldorf“ genannt.

Verdings - Das Birmehldorf
Heute dreht sich der Spieß um. Das traditionelle Birmehl erfährt in der Genussregion des Eisacktals einen ungeahnten Aufschwung. Hier besinnt man sich gern auf die Schätze der fruchtbaren Natur. Auf die wilden Bergkräuter, alte und neue Apfelsorten, die Walnüsse, den Wein, die Keschtn und neuerdings auch wieder auf das Birmehl. Denn die Köche der Region und die Feinschmecker, die zu ihnen kommen, sind immer auf der Suche nach einem besonderen Geschmackserlebnis.

Eine bunte Menschenmenge hat sich am „Birmehl-Sunntig“, dem ersten Sonntag im Oktober, auf einer großen Streuobst-Wiese im Dorf Verdings versammelt. Es duftet lecker, denn an vielen Ständen werden frisch zubereitete regionale Spezialitäten angeboten. Knödel, Ravioli, Gnocchi, Schupfnudeln, Spätzle, Schlutzer, Strauben, Brot und Eis - sie alle haben an diesem Tag einen gemeinsamen Nenner, eine gemeinsame Zutat: das Birmehl. Vergnügt nasche ich mich durch diesen Berg aus Köstlichkeiten und bleibe bei den Birmehlnocken hängen. Sie baden förmlich im braunen Mehlstaub und schmecken süß, birnig und lecker!

Die frisch zubereiteten regionalen Spezialitäten haben an diesem Tag einen gemeinsamen Nenner, eine gemeinsame Zutat: das Birmehl.
Bei den Höfen Hintner, Brunner, Rungger und Gosser in Verdings gibt es insgesamt noch vier dieser charakteristischen Obstwiesen mit altem Baumbestand, die im Volksmund Bangert genannt werden. Hier wachsen alte Apfel- und Birnensorten, Zwetschgenbäume und Beerensträucher. Sie sind heute ein Schatz für das Dorf. Auf dem Birmehl-Wanderweg, der rund um das Dorf führt, wurden in den letzten Jahren auch viele neue Birnenbäume gepflanzt und ein Lehrpfad angelegt. Zu einer Führung auf dem Wanderweg versammeln sich am Nachmittag Interessierte, die noch mehr Geschichten über die Birnen hören möchten.

Währenddessen wird im Dorf der Birmehl-Sunntig zu einem Fest mit allem was dazu gehört. Die Vereine präsentieren sich und ihre Arbeit. Bei den Jägern vom Jagdrevier Klausen gibt es viel über das Leben im Wald und die einheimischen Tiere zu lernen sowie Felle und Federn anzufassen. Einige Amateurfotografen scharen sich um die bekannte Vulkan-Fotografin Ulla Lohmann. Sie sind hier auf der Jagd nach Motiven. Die Südtiroler Jagdhornbläser und eine Gruppe Alphornbläser spielen auf, für die Kinder gibt es einen Spielplatz und verschiedene Basteltische. Touristen und Einheimische finden bei einem Gläschen Wein zusammen.
In den vergangenen Tagen haben die vier lokalen Gastbetriebe – die Bar Gosser, die Pizzeria Monika und das Gasthaus St. Valentin in Verdings sowie der Gasthof Huber in Pardell verschiedene Spezialitäten rund um das Thema Birmehl angeboten. Ein echtes Highlight ist die Birmehl-Nachtwanderung, zu der sich Konrad Faltner jährlich etwas Besonders ausdenkt. Auf der Erlebniswanderung werden Texte gelesen, Bilder gezeigt und Birmehl-Spezialitäten verkostet. Satt und zufrieden kommen die nächtlichen Wanderer dann zurück auf den Dorfplatz und in die Verdingser Kirche St. Valentin, wo es zum Abschluss noch Musik gibt.

Text: Sylvia Pollex
Foto: Thomas Rötting
Veröffentlichung: 2022

Dörrbirnen