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Zu Gast bei der Bäuerin Adelheid Kerschbaumer Raifer

Heiße Sache

Von Adelheid Kerschbaumer Raifer sagt man, sie backe die besten Strauben Südtirols. Zu Gast bei der Bäuerin vom Moar zu Viersch Hof in Verdings.

„Ohne Arbeit geht nichts", sagt Adelheid Gasser und schnürt auf einer hölzernen Bank im Garten vom Moar zu Viersch Hof schwer atmend ihre groben Stallschuhe auf. Obwohl ihr die Sonne an diesem Morgen bereits ins Gesicht scheint, zeichnet der Atem der alten Bäuerin eine kleine Wolke in die Luft. Ihr macht das nichts aus. Sie trägt eine kurzärmelige, karierte Bluse und darüber einen blauen Kleiderschurz mit feinen, weißen Mustern. Kalt sei ihr selten, sagt sie. Auch nicht, wenn sie, wie jeden Tag, um halb fünf Uhr morgens in den Stall zu den Kühen geht. Von dort kommt sie gerade und stapft weiter zum Stall ihrer Hühner. „Ich hol nur schnell ein paar Eier für unsere Strauben“, sagt sie und verschwindet.

Bereits im Alter von zwölf Jahren musste die heute 90-Jährige auf dem elterlichen Hof in Latzfons mit anpacken. In die Schule ging während des Kriegs niemand. Schließlich hing von der Arbeit das Überleben der ganzen Familie ab. „Hier auf dem Moar zu Viersch bin ich seit 1958“, erzählt Adelheid Kerschbaumer Raifer, als sie mit Eiern und Milch zurück zur Eingangstür des großen Bauernhofs kommt. Damals heiratete sie ihren Mann und zog zu ihm und seiner Familie auf den Hof. Von hier aus reicht der Blick über saftig grüne Wiesen auf die andere Talseite, bis auf die Geislerspitzen und die Plose.
"Ohne Arbeit geht nichts!"
Kerschbaumer Raifer erinnert sich daran, wie sie viele Jahre lang die Milch ihrer Kühe jeden Tag auf einer Kraxe vom Hof bis hinunter ins Tal nach Klausen getragen hat. 45 Minuten Fußweg in eine Richtung, mit 30 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken, um am Ende des Monats einen kleinen Lohn in der Tasche zu haben. 1978 ist ihr Mann verstorben, Kinder hatten die beiden keine.

„Was will man machen?“, sagt Adelheid, wendet den Blick zu Boden und hievt sich schweren Schrittes über die steinerne Treppe in den ersten Stock. Hier empfängt die Bäuerin im Herbst die Gäste zum Törggelen in der warmen Stube – neben der Küche der einzige beheizte Raum auf dem ganzen Hof. Schlutzkrapfen, Gerstensuppe, Surfleisch, Kraut, Kartoffelblattln und Kastanien bereitet sie mit ihrer Nichte Mechthild in der Küche zu. Berühmt aber ist Adelheid Kerschbaumer Raifer vor allem für ihre Strauben und süßen Krapfen.

In einer Schüssel schlägt Adelheid den Eischnee und in der anderen vermengt sie das Eigelb mit etwas Zucker und Salz, Vanillezucker, zerlassener Butter und Milch von ihren Kühen. Dann verschwindet sie kurz und taucht mit einer Flasche Bier wieder auf. „Das brauchen wir, damit die Strauben das Fett nicht aufsaugen“, sagt sie, lacht und kippt einen Schluck davon in die Masse. Dann gibt sie zuerst etwas Mehl dazu und schließlich das zu Schnee geschlagene Eiweiß. Nach Rezept arbeite sie in der Küche nie, sagt sie. Ihre Hände haben in den ganzen Jahren des Zubereitens klassischer Südtiroler Gerichte wohl gelernt, wie sich die richtige Konsistenz für den jeweiligen Teig anfühlt. „Hier muss noch etwas mehr Mehl rein, sonst ist das Ganze zu flüssig“, urteilt sie und rührt den Teig mit einer Suppenkelle fertig um.

Während die Hände der alten Frau von Falten und aufgeschwollenen Knochen gezeichnet sind, leuchten die prallen Wangen rot, die Augen strahlend blau. Die grauen Haare hat sie zu einem Zopf gebunden und unter einem Haarnetz verstaut. Wenn man sie nach dem Geheimnis ewiger Jugend fragt, zeigt sie ihr verschmitztes Lachen. „Eine halbe Stunde Schlaf nach dem Mittagessen, dann ruhen die Gedanken.“

Das Straubenmachen hat Adelheid Kerschbaumer Raifer sich selbst beigebracht und es im Laufe der Jahrzehnte immer weiter perfektioniert. Wenn zu besonderen Anlässen schon mal über hundert Strauben im heißen Fett landen, hole sie sich Hilfe von jungen Bäuerinnen aus dem Dorf, erzählt sie und schöpft nach nicht einmal einer Minute die nächste süße Schlange aus der Pfanne. Mit etwas Staubzucker und Preiselbeermarmelade garniert, reicht sie die Köstlichkeit zum Probieren: Luftig, süß und gar nicht fettig zergehen die Stücke im Mund. So, genau so müssen Strauben schmecken.


Auszug aus: COR 1 - The Local Magazine
Text: Lisa Maria Kager
Redaktion: Ex Libris, Bozen
Jahr der Veröffentlichung: 2018
Zum Nachkochen
Rezept für vier Strauben
Zutaten
  • 2 Eier
  • 20 g zerlassene Butter
  • Salz und Zucker
  • Vanillezucker
  • 150 ml Milch
  • 100 ml Bier
  • 200 g Mehl
  • Ca. ½ l Backfett zum Backen
  • Staubzucker
  • Preiselbeermarmelade, Kompott oder Apfelmus


Zubereitung
Das Eigelb vom Eiweiß trennen. Eiweiß in einer Schüssel zu Schnee schlagen und in einer anderen Schüssel Eigelb, zerlassene Butter, etwas Zucker, Vanillezucker, Salz, Milch und Bier schaumig rühren. Das gesiebte Mehl und den Eischnee einrühren, bis der Teig schön glatt ist. Den eher dickflüssigen Teig mit einem Straubentrichter kreisförmig in heißes Backfett einlaufen lassen und auf beiden Seiten goldgelb backen. Aus dem Fett nehmen und auf einem Teller mit etwas Staubzucker und Preiselbeermarmelade, Kompott oder Apfelmus servieren.

Die Strauben werden in heißem Öl gebacken